Quelle:

Text: Ernst Friedrich; Bevenser Nachrichten 11/2002;
Die dargestellten Beiträge Dritter dienen der Erleichterung einer weiteren Recherche. Wir empfehlen die Sachverhalte, insbesondere Datumsangaben und Namen immer zu überprüfen.

Schabernack mit ungewolltem Ende

Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen vielerorts an den Abenden alte und junge Frauen zusammen, um Flachs und Wolle zu Garn zu verspinnen. Im geselligen Kreis machte die doch recht eintönige Arbeit des Spinnens eben mehr Spaß, zumal man dabei ausgiebig klönen konnte. Wenn dann später die Ehemänner der Frauen und Freunde der Mädchen dazukamen, ging das Tratschen und Erzählen erst richtig los. Den Männern machte es natürlich unheimliche Freude, den Frauen und Mädchen möglichst gruselige und unheimliche Geschichten vorzuflunkern.
Die flackernden Feuer der offenen Herde, das warme und tiefe Schatten werfende Licht der Öl- oder Petroleumlampen trugen nicht unwesentlich zum Erfinden und Erzählen gruseligster Spökenkiekereien bei. Auch unsere Landschaft hat viele dieser Geschichten hervorgebracht. Man denke nur einmal an einen Spaziergang bei Mondschein über eine machandelbestandene Heidefläche oder durch ein nebelverhangenes Moorgebiet. Dabei entstehen Gruselgeschichten fast von allein. Eine dieser wilden Geschichten, wie sie auch noch um die Wende zum 20. Jahrhundert erzählt wurden, hatte schlimme Folgen. Es herrschte der Aberglaube, daß, wenn man zur Mitternacht einen Gegenstand in das Grab eines Selbstmörders stoßen würde, dieser aus seinem Grab greifen, den Frevler festhalten und ihn zu sich herunterziehen würde. Diese Geschichte erzählte einer der jungen Männer zu vorgerückter Stunde den Frauen und Mädchen in der Spinnstube. Die meisten der jungen Mädchen lachten natürlich über diese Geschichte und taten sie als dummen Aberglauben ab. Der junge Mann aber meinte, daß die Mädchen sich trotzdem nicht trauen würden, eine Spindel in ein solches Grab zu stoßen.

Der Wilhelmsgarten im Jahr 1921, nach seiner Nutzung als Friedhof.

Bis etwa 1900 wurden zum Spinnen auch noch die einfachen Handspindeln benutzt, denn Spinnräder waren teuer und die jungen Mädchen hatten häufig nicht das Geld, um sich eine derartige »Maschine« zu kaufen. Eines der Mädchen war besonders übermütig und sagte: »Wetten wir doch um einen Thaler, daß ich mich traue, meine Spindel in das Grab eines Selbstmörders zu stecken. Du kannst ja morgen etwas früher aufstehen und nachsehen.« Der heutige Wilhelmsgarten an der Bahnhofstraße war damals der Bevenser Friedhof. In der hinteren rechten Ecke vom Bahnhof aus gesehen lag das Grab eines Selbstmörders; eines jungen Mannes, der sich aus Kummer über die Untreue seines Mädchens erhängt hatte.

Kurz vor Mitternacht ergriff das Mädchen seine Spindel, verabschiedete sich und marschierte zum Friedhof. Am anderen Morgen begab sich der junge Mann zum Grab im hinteren Teil des Friedhofes, um nach der Spindel zu sehen. Schon aus einiger Entfernung sah er am Grab etwas liegen. Als er näher kam, erkannte er das Mädchen. Am Rand des Grabes war sie mit einem Herzschlag zusammengebrochen. Im Saum ihres Kleides steckte die Spindel. Später fand man folgende Erklärung: Das Mädchen war zum Friedhof gegangen und hatte die Spindel in das Grab gestoßen, dabei aber nicht bemerkt, daß sie ihren Rocksaum am Boden festheftete. Als sie sich zum Gehen wandte, wurde ihr Kleid festgehalten. Sie hat vermutlich angenommen, daß an der Geschichte, die der junge Mann erzählte, doch etwas Wahres sei und sich entsetzlich erschrocken. Dieser große Schreck führte dann zum Herzschlag. Noch viele Jahre später wurde diese Geschichte immer wieder erzählt. In unserer Jugend wurde von den alten Leuten ja auch behauptet, daß im Wilhelmsgarten in Vollmondnächten noch Geister umgehen würden.

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