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Text: T. Wagner, Quelle: StadtA BB A1521-1999/047

„Wilde Ehe“ als Stein des Anstoßes

Das 1872 in Kraft getretene Strafgesetzbuch enthielt keine Strafbestimmungen mehr gegen das Konkubinat, also das eheähnliche Zusammenleben in einer Wohnung ohne Trauschein.
Und dennoch sorgte ein Fall in Bevensen für besonderes Aufsehen. Das lag sicherlich nicht zuletzt an der beruflichen Vorgeschichte, der gebürtig aus Sastedt stammenden Frau und dem attestierten Geisteszustand des Mannes. Darüber hinaus sah man durch das Konkubinat den zentralen Stützpfeiler der gesellschaftlichen Ordnung ‒ die Ehe ‒ schwerstens bedroht.

Die Mutter gab den entscheidenden Hinweis

Die Behörden erfuhren im Oktober 1912 von dem „skandalösen“ Zusammenleben des 27jährigen Viehhändlers Wilhelm Harms und der zwei Jahre jüngeren Margarethe Busche.
Die Mutter des Viehhändlers gab beim Magistrat zu Protokoll, dass sich die als Kontrolldirne gemeldete Margarethe Busche seit einigen Wochen in ihrer Wohnung aufhalten und fast jeden Abend bei ihrem Sohn schlafen würde. Als „Kontrolldirnen“ wurden im Kaiserreich Prostituierte bezeichnet, die bei der Sittenpolizei registriert waren und diverse Auflagen zu erfüllen hatten. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen war häufig untersagt und auch auf Geschlechtskrankheiten mussten sich die Damen regelmäßig untersuchen lassen.

Dieses Zusammenleben wollte die Mutter des Viehhändlers nicht dulden. Daher hatte sie die Unliebsame auch schon persönlich aus der Schlafkammer ihres Sohnes geworfen. Es kam zu Zank und Streit, der sogar in beiderseitigen, tätlichen Angriffen endete. Darüber hinaus soll Margarethe Busche der Mutter auch eine größere Menge Geld entwendet haben.

Behördliche Schritte gegen die „Wilde Ehe“ und eine Flucht nach Hamburg

Infolge einer Verfügung des Magistrats vom 26. Oktober 1912, verließ M. Busche die Wohnung des Harms und zog in die Bahnhofstraße Nr. 32. Sie berichtete davon als Haushälterin nach Lüneburg gehen zu wollen. Vielleicht auch um Wilhelm Harms näher zu sein, der sich bereits vor dem 4. November 1912 in der Heil- und Pflegeanstalt zu Lüneburg befand.

Am 13. Dezember 1912 schrieb der Bürgermeister Pasie an das Königliche Landratsamt zu Oldenstadt und berichtete, dass „die Busche wieder zu dem Viehhändler Wilhelm Harms gezogen ist.“ Polizeilichen Zwangsmaßnahmen würde sich die Busche sicherlich fügen, immerhin wäre sie diese durch ihren früheren Beruf gewöhnt, so glaubte Pasie.
In jedem Fall wollte man den Umstand schnellstmöglich beseitigen, den Pasie als „Skandal für unseren Ort“ ansah.
Aufmerksam wurde auch die eingehende Post registriert. Der Gendarmerie-Wachtmeister Dornbusch zu Altenmedingen (später zu Bevensen), berichtete beispielsweise von einer Postkarte die der Busche am 31. Dezember 1912 zugestellt wurde. Immerhin sollte die Karte mit „Dein Mann“ unterzeichnet gewesen sein.
Zu dieser Zeit hatte Harms die elterliche Wohnung bereits verlassen und wohnte mit seiner Angebeteten bei einer Frau Mohrmann in der Bergstraße 19. Einer polizeilich angeordneten Räumung entzog sich die Busche. Gegen Harms und Busche wurde im Januar 1913 eine Geldstrafe von 150 Mark (alternativ 14 Tage Haft) festgesetzt. Diese waren jedoch schon am 30. Dezember unbekannt verzogen.
Ein Weinhändler wollte die Beiden am 9. Januar 1913 auf dem Hamburger Hauptbahnhof gesehen haben. Weitere Ermittlungen ergaben, dass sich die Gesuchten in Hamburg-Eimsbüttel niedergelassen hatten.

Zurück in Bevensen und abermals verschwunden

Bereits Ende Januar 1913 tauchten Harms und Busche wieder in Bevensen auf. Vorerst lebten sie wieder bei der Mutter von Harms (Schützenplatz 265).
In Hamburg lag derweil eine Reihe von Anzeigen wegen Misshandlung, Erpressung und Zuhälterei gegen Beide vor. Harms wurde von M. Busche sogar beschuldigt, in der Zeit vom 30. Dezember 1912 bis 27. Januar 1913 als Zuhälter tätig gewesen zu sein.

Die noch offene Geldstrafe wurde auch bis Anfang März 1913 nicht beglichen. Eine angeordnete Vorführung bei der Gefängnis-Inspektion zu Uelzen konnte ebenfalls nicht zum Abschluss gebracht werden. Die Unruhestifter waren abermals verreist und im April sodann als unbekannt verzogen gemeldet.
Aber die mühevolle Suche der zuständigen Behörden lohnte sich schließlich doch noch. Im April 1913 musste M. Busche ins Krankenhaus. Da die offene Geldstrafe nach der Entlassung am 22. Mai 1913 nicht bezahlt werden konnte, folgte die Einlieferung ins Polizeigefängnis Hannover. Harms hingegen zahlte seine Geldstrafe von 150 Mark.

1912-1913: Eine

Margarethe blieb nach ihrer Haftstrafe vorerst in Hannover. Der schwierigen Beziehung konnten die bisherigen Maßnahmen nicht anhaben. Der Wohnort des „problematischen Paares“ wechselte in der Folgezeit häufig und schon im Juni wohnten sie wieder gemeinsam in Bevensen ‒ diesmal in der Lüneburger Straße 59. Harms verteidigte sich, die Busche wäre nur zu Besuch im Ort und würde bald wieder abreisen.
Das glaubte Ihnen niemand. Abermals wurde die obige Strafe von 150 Mark bzw. 14 Tage Haft verhängt.
Das ganze Spiel begann von vorne: Sie konnten nicht angetroffen werden. Angeblich nach Hannover verzogen, jedoch am 13. Juli zurückgekehrt. Eine Pfändung blieb erfolglos – wieder verschwunden. Erneute Ermittlungen über den Verbleib.

Das Theater findet ein Ende

Kurz gesagt: Beide heirateten am 4. November 1913 in Magdeburg und weckten ein letztes Mal die Aufmerksamkeit der Bevenser. Der Magistrat des Fleckens Bevensen erkundigte sich beim Landrat, auf Grund welcher Angaben diese Ehe geschlossen wurde: „Ein Aufgebot hat hier nicht stattgefunden, trotz dem Harms auch hier in den letzten 6 Monaten gewohnt haben soll. Der hiesige Standesbeamte hat s.Z. eine Eheschließung des Harms wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit desselben abgelehnt.“

Beantwortet wurde die Fragestellung aus Magdeburg: „daß der Harms auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen die Ehe geschlossen hat.“ Womöglich aufgrund falscher Angaben zum Aufenthaltsort im vorangegangenen halben Jahr.
Die Ehe wurde aber allem Anschein nach nicht mehr angefochten. Die Akte endet mit einem Blatt aus dem sich ergibt, dass die Ehefrau Harms geb. Busche noch eine eintägige Haftstrafe für die zweite Strafanordnung verbüßte. Nachdem noch 140 Mark eingezogen wurden, konnte die Vollstreckung der Gesamtstrafe als erfolgt angesehen werden.

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