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Text: T. Wagner, Quelle: HStA Hannover, Sig. Hann.74 Medingen Nr. 3651

Eine alte Bevenser Sitte und ihr unspektakuläres Ende

Im Jahr 1870 erhitzte ein ungewöhnlicher Brauch die Gemüter und beschäftigte den Bevenser Kirchenvorstand sowie die Verwaltungsbeamten. Eine Akte im Hauptstaatsarchiv berichtet uns heute über die einstigen Gegebenheiten und einen Bevenser Brauch, der wohl den Wenigsten bekannt sein dürfte.

Direkt am Bahnhof gelegen befand sich seit 1798 der Friedhof des Kirchspiels Bevensen. Heute ist diese Stelle als „Wilhelmsgarten“ bekannt ‒ eine kleine Parkähnliche Fläche, die zum verweilen einlädt.

Seinerzeit war es in Bevensen üblich, die Särge der Verstorbenen vor dem Friedhof zu öffnen. Allem Anschein nach betraf dies nur Särge der Verstorbenen, die aus den zum Kirchspiel Bevensen gehörenden Dörfer kamen. Die Hintergründe dieser Sitte sind leider nicht überliefert. Wollte man sich vielleicht vom tatsächlichen Inhalt überzeugen,  einen Scheintod ausschließen oder die Verstorbenen nur verabschieden?

Am Bahnhof eintreffende Reisende, aber auch Einheimische, hatten mit diesem Umstand jedenfalls ihre Probleme. Der Amthauptmann Schultz sah sich gezwungen zu handeln und verfasste am 21. Mai 1870 einen Brief an den Superintendenten Bückmann: „Es ist in letzter Zeit mehrfach bei mir darüber Beschwerde geführt, daß nach den in dem dortigen Kirchspiele hergebrachten Sitte, die von den Außendörfern hergebrachten Särge, bevor sie auf den Kirchhof gebracht werden, noch einmal vor der Kirchhofthüre geöffnet wurden.“ Auch sei ihm von glaubwürdiger Seite berichtet worden, dass teilweise „drei Leichenwagen gleichzeitig vor den Kirchhofthüren gehalten haben.“ Nicht nur die Anwesenden, sondern auch die vorbeifahrenden Personen haben „die geöffneten Särge und die in denselben liegenden Leichen“ sehen müssen. Er forderte vom Kirchenvorstand die „Beseitigung dieser Unsitte“ und eine unverzügliche Meldung an ihn.

Bevenser Sitte

Der Brief des Amthauptmanns vom 21. Mai 1870

Superintendent Bückmann antwortete am 25. Mai mit einem kurzen Schreiben: „[…] beehrt sich der Unterzeichnete in der Anlage einen Auszug aus dem Protocolle über die am 23“ d. M. abgehaltene Sitzung zu übersenden, und glaubt sich der Erwartung hingeben zu dürfen, daß dadurch die beschlossene Anordnung gegründeten Beschwerde abgeholfen werden wird.“

Im oben genannten Protokoll des Kirchenvorstandes ist unter dem Tagesordnungspunkt 4 folgendes vermerkt: „In Folge eingegangener Beschwerde des Amtshauptmanns Schultz vom 21“ d. M. beschloß der Kirchenvorstand zu erwiedern, daß niemals mehrere Leichen zu gleicher Zeit bestellt worden sind, daß aber für angemessen erkannt werde, von der Kanzel bekannt zu machen, es mögen in Zukunft die Leichen nicht mehr an der Kirchhofspforte, sondern am Grabe geöffnet werden.“

So verabschiedete sich, gänzlich unspektakulär, ein alter Brauch über den so wenig bekannt ist. Sind Ihnen ähnliche Bräuche bekannt oder können Sie zu den möglichen Gründen dieser Sitte weitere Angaben machen? Dann lassen Sie uns und die Besucher der Webseite teilhaben. Nutzen Sie dazu bitte die Kommentarfunktion unter dem Bericht!

2 Kommentare
  1. Sigrid Donner sagte:

    Meine Großmutter, Doris Körte aus Medingen hat mir von diesem Brauch erzählt und gesagt, sie sei froh nicht in Bevensen begraben zu werden- früher hätte man VOR dem Friedhof die Särge geöffnet um zu sehen, ob nicht doch was wertvolles zu finden sei, auf dem Friedhof wäre es dann ja ein Frevel gewesen…..

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