Hinweis:

Zeitzeuge: Friedrich Wilhelm Kersting;

Als Sohn eines Eisenbahners mit rückwärtigem Zugang zum Verladebahnhof von der Uhlestraße aus, war das recht bald nach unserem Umzug 1948 „unser“ Spielplatz. Was gab es dort nicht alles zu erleben. Die Lanz Bulldogs auf wippenden Reifen vor Anhängern mit Rüben, Kartoffeln und allem anderen möglichen. Pferdegespanne mit den sehr großrädrigen Leiterwagen.

Wurde mal ein Waggon mit Briketts ausgeladen dann öffneten die Männer die Türen in der Mitte der Seitenwand und viel von der Kohlenladung rutschte dann unter den Waggon. Wollten die Kohlenarbeiter anschließend diese Briketts einsammeln, fanden sie ein leergeputztes Gleis vor. Die Briketts hatten wir Kinder ja längst „entsorgt“. Schließlich waren sie damals eine begehrte Ware. So ging es auch den Kartoffeln. Wir waren sozusagen die „Reinigungskräfte“ der Ladegleise.
Bremserhäuschen der Güterwagen damals haben wir als werdende Lokführer schon mal zum Üben genutzt. Wohl nicht immer zur Freude des Köf-Fahrers. Denn es geschah schon mal mal, daß wir die Bremsen zudrehten. Auch die Bleiplomben konnten wir brauchen und wer von uns wußte schon, daß sie giftig waren. Hingen sie doch an jedem Waggon. Ganz selten gab es mal einen ganz ausgezeicheten Spielplatz. Ein „Heißläufer“ aus einem Personen- oder D-Zug, der zur Abkühlung und späterer Instandsetzung abgestellt wurde. Endlich mal etwas anderes als diese „ewigen“ Güterwagen. Leider hatten die Eisenbahner sie manchmal abgeschlossen. Ob sie von uns wußten?

Ein ganz einsamer Höhepunkt war die Mitfahrt auf einer 38er Personenzuglokomotive. Sie kam immer am Abend, um die Waggons des Tages und das Stückgut der Güterabfertigung abzuholen. Diese Lok war mit unserem größten Interesse aus unmittelbarer Nähe zu sehen. Wie qualmte sie und was machten die Aggregate für Geräusche! Ziemlich bald kam von uns die Frage an den Lokführer: „Onkel, dürfen wir mal rauf?“ Meistens durften wir dies nicht. Ein Onkel ließ uns. Oh, was waren wir doch stolz. Er zeigte uns werdenden Nachwuchs wirklich alles. Tja, dann kam plötzlich der Befehl, rückwärts zum Verladebahnhof zu fahren, um die Güterwagen anzuhängen. Es gab nur ein Problem, daß der allgewaltige Lademeister auf der Rampe stand und wir nicht – ohne den Lokführer zu verraten – von der Lok kommen konnten. „Macht Euch klein“sagte er, als ob wir lang gewesen wären. Eine herrliche Fahrt, hin und her. Zurück an der Rampe stand dann der Zerberus immer noch dort. Unser gütiger Lokengel bedeutete uns, links abzusteigen. Aber er vergewisserte sich vorher noch, daß die Durchfahrtgleise frei waren. Husch, husch um die Lok herum, ein Pfiff und wir hörten die vertrauten Anfahrgeräusche der Dampflok.
Diese Kindererlebnisse konnten nur geschehen, weil die Eisenbahn in meinem Wohnort und den umliegenden Dörfern noch eine bedeutende Rolle spielte. Ein heutiger Junge kann das nicht mehr nachmachen.

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