Quelle:

Text: Jürgen Warnecke – veröffentlicht in den Bevenser Nachrichten – November 1997

Kleine Szenen um Otts schöne Eichen

»Nu geiht de Fladderee mit de Blööd all wedder los«, hörte ich Wiesen Mutter sagen, als ich Rinkes Laden betrat. Lassen Sie uns, liebe Bevensen-Freunde, wir blenden zurück in das Jahr 1948, einmal ungesehen mitgehen in den alten Rinkeschen Laden, der das damalige »Einkaufszentrum« an der Ecke Klein Hesebecker und Röbbeler Straße war. Ein recht gemütlicher kleiner Laden, in dem seine Inhaberin, Marie Rinke, akkurat und bieder ihre Kunden bediente. Gegen fünf Uhr nachmittags wurde Rinkes Laden zum Treffpunkt der Nachbarinnen aus der Umgebung. Jeder kannte ja früher

jeden am Schützenplatz in Bevensen-Ost und so ging das Klönen der Nachbarinnen an. »Ja, ja«, sagte die ziemlich korpulente Oma Reinicke, »bi us fallt ja jümmer de Blööd von Ott sein groote Eek in Garden, weil dat de Wind jüm Ummer to us röber weiht, kanns‘ rein dull bi Warden, jeden Dag stoh ick nu un raak den Krom tohop, sünst kummst dor gor nich mehr gegen an.« »Was, von unserem Baum, von unserer schönen Eiche?« rief Sophie Ott, Ehefrau des gemütlich-gutmütigen Landmaschinenschlossermeisters Hans Ott, der so das rechte Gegenstück zu seiner leicht aufgebrachten Gattin war, »das kann ja wohl nicht angeh’n, die Blätter bleiben doch alle auf unserem Grundstück! Nee, nee, Reinicken Mutter, das nehm ich dir nicht ab – ja, und wir lassen die Blätter ja auch immer so’n büschen liegen, damit sie denn im Frühjahr den Baum düngen!« »Hoho, Sophie Ott, snack man nich so veel dumm Tüch, wat ick seh, dat seh ick, un wat ick weet, dat weet ick! Du kiekst dor ja gor nicht achter, hest dien Kökenfinster ja na de anner Siet, weest ja nich, wonehm de Blööd Overall henfleegen daut!« »Nu zankt ji man hier nich so rüm üm de poor Blööd, de dor övern Tun fleegen daut«, beruhigte Meesen Mutter, die ein paar Häuser weiter in der Klein Hesebecker Straße wohnte und deren Mann Otto »bei die Post« war, »ick weet doch ok, waat ick weeten dau, mien leeve Marie Reinicke, dat du froh büst, dat du de Eekenblööd op dien Mestbarg mang de Zickenköddel smieten kannst, dat jü gooden Mest för jür’n Garden in Fröhjohr hebben daut – üm de paar Blööd so’n Schreeree to maken.«

»Jaaa, denn möß ick ja woll ok noch mit Quaken anfang’n«, gab Wiesen Mutter, Nachbarin der Familie Rinke in der Röbbeler Straße, ihren Komentar dazu, »denn bi uns fleegt ok jümmer so’n poor Eekenblööd von Sophie Ott ehr’n Boom rüm. Aber dor scheer ick mi nich üm, is jo Harwst-Tied, un dor fleegt so männig Blööd bi us vörbi. Dat een dor so bastig Over warr’n kann?« und damit beendete sie ihre Anmerkung, als Elly Greskowiak, die oben vom Gollerner Weg her kam, ihr sofort ins Wort fiel und sagte: »Seid ihr euch eigentlich schon einmal darüber klar geworden, welch schönen Eichbaum wir hier gerade an dieser Straßenkreuzung haben? Nee, nee, da laßt man die Blätter ruhig mal durch die Gegend fliegen, der Baum prägt doch geradezu hier die ganze Idylle!« »Ja, ja,« warf Frau Franks, die Wiesen Mutter gegenüber in der Röbbeler Straße einst wohnte, ein, »ich freue mich jeden Tag, wenn ich diesen herrlichen Eichbaum, der sicher mal zu einer kapitalen Eiche werden wird, sehe.« »Hat denn jemand von den Damen einen Wunsch?« fragte Marie Rinke in den Kreis der diskutierenden Damen, denn sie hatte lange genug tatenlos zugesehen. »Ja, leeve Tied, ja, ick weer de Erste, ick will woll geern beten Kees to’n Abendbrot hebben . . . «

Diese kleine Szene in Rinkes Laden liegt fast fünfzig Jahre zurück. Anzumerken ist noch, daß wir als Kinder gern im Ott’schen Grundstück, hier hat inzwischen eine weitbekannte traditionsreiche Bad Bevenser Autofirma ihr Domizil gefunden, gespielt haben und gerade unter der heute weitausladenden kapitalen Eiche an der Ecke Röbbeler/Klein Hesebecker Straße gesessen haben, denn von hier aus konnte man so gut in die Ott’sche Werkshalle schauen, und da war immer viel Interessantes zu sehen. »Setzt euch man unter die Eiche«, sagte Meister Hans Ott, »da könnt ihr alles mitkriegen, denn hier in der Werkstatt ist es für Kinder zu gefährlich.« Und Ernst Roll, der über viele Jahre in der Werkstatt Hans Otts tätig war, rief uns zu: »Paßt up, gliek mok ick mit düsse Maschin dulle Funken!«

Noch heute denke ich gern an jene Jahre zurück und ich spüre es immer, wenn ich am alten Ottschen Grundstück , dem Gelände der Autofirma, vorübergehe, wie die alte, weit über hundertjährige Eiche mir zuruft: »Weißt du noch, damals . . . «, und ich hoffe, daß sie alle Turbulenzen unserer Zeit überstehen und als Brücke zwischen gestern und heute uns erhalten bleiben möge.

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