Quelle:

Text: Ernst Friedrich – veröffentlicht in den Bevenser Nachrichten – April 1999

Hygiene damals!

In diesem Kapitel möchte ich nun einmal über die hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit berichten. Die meisten der jüngeren Menschen haben wohl schon davon gehört, können sich aber kaum vorstellen, welche Unbequemlichkeiten damit verbunden waren.

Bis in die späten fünfziger Jahre gab es auch hier im Ort noch viele Häuser ohne fließendes Wasser und damit auch keine Toiletten mit Wasserspülung. Man ging zum Plumpsklo. Es lag in der Natur der Dinge, daß die zumeist ausgemauerten Gruben der Plumpsklos eines Tages voll waren und geleert werden mußten; eine Arbeit, die meistens zweimal im Jahr anlag. Zuerst mußte jemand gefunden werden, der die Jauche abfuhr. Das war nicht schwer, denn dieser Dünger wurde von den Landwirten gern genommen. Schwierig wurde es, wenn der Jauchewagen durch unsere schmale Einfahrt auf den Hof bugsiert werden mußte. Das Gefährt bestand eigentlich nur aus einem schweren hölzernen Pferdewagen mit einem lang darauf gelegten verzinkten Jauchefaß.

Das Füllen dieser Tonne mußte immer ein Familienmitglied übernehmen. Die Begeisterung desjenigen, dem diese Aufgabe zufiel, kannte kaum Grenzen, wie man sich wohl denken kann. Zuerst gab es im Ort noch keine Jauchepumpen, und so wurde die Grube mit einem großen Schöpfeimer, der an einem langen Stiel befestigt war, von Hand geleert. Zunächst einmal mußte die Jauche in der Grube gut durchgerührt werden, sonst ließ sie sich nur schwer schöpfen. Damit beim Füllen nicht allzuviel danebenging, wurde auf die Einfüllöffnung der Tonne ein großer Trichter gesetzt. Trotzdem ging es nicht ohne Spritzer und Pfützen ab. Schwärme von Fliegen fielen auf dem Hof ein. Man konnte glauben, daß sie ein Nachrichtensystem besaßen. Drei Tonnen mußten bei jeder Abfuhr gefüllt werden. Der abfahrende Bauer brachte gewöhnlich zwei Tonnen auf seinem Acker aus. Eine Tonne voll Jauche ging auf unser Land. Als ich dann dreizehn oder vierzehn Jahre alt war, wurde mir die große Ehre zuteil, die Jauchegrube zu leeren. Später wurde die Arbeit dann leichter, weil uns zum Füllen der Tonnen eine Jauchepumpe zur Verfügung gestellt wurde. Leider waren bei diesen Pumpen meistens die obere Stopfbuchse oder ein Schlauch undicht, so daß man ständig in einem Regen aus dünnflüssiger Jauche stand. Da blieb es nicht aus, daß man in kürzester Zeit über und über voller »Sommersprossen« war. Anschließend hatte man tagelang das Gefühl, den Geruch niemals wieder loszuwerden.

Bei entsprechendem Wetter hatte der ganze Ort etwas von dieser Jauchefüllerei, denn der Gestank verbreitete sich in weitem Umkreis. Noch schlimmer wurde es, wenn in Ortsnähe ein Acker oder Garten gejaucht wurden. Über diese alten Toiletten läßt sich so allerlei berichten. Lustig wurde es im Winter. Wenn es längere Zeit ordentlich fror, dann wurde die obere Schicht in der Grube hart und unter der Toilettenöffnung bildete sich nach und nach ein Kegel, der dann gelegentlich umgestoßen werden mußte, damit man sich noch auf die Brille setzen konnte. In früheren Jahren war es die Aufgabe von Großvater Heinrich, die Grube zu leeren. Sicher war auch er nicht begeistert darüber, aber andererseits brauchte er den Dünger auf seinen Äckern. Einmal passierte ihm beim Ausschöpfen der Grube ein kleines Malheur. Als er den Rest der Jauche aus der Grube schöpfen wollte und sich dabei bücken mußte, rutschte ihm ein Päckchen Tabak aus der Jackentasche und fiel hinunter in die Jauche. Nun war man damals nicht so etepetete wie heute und so ein Päckchen Tabak kostete ja auch Geld – und das war immer knapp. Mit einer Harke angelte Großvater das Päckchen aus der Grube, ging damit zur Pumpe und spülte den Dreck herunter.

Am Jackenärmel rieb er es wieder trocken. Da er nun sowieso saubere Hände hatte, holte er seine Pfeife, die auf einem Zaunpfosten gelegen hatte, stopfte sie mit dem Tabak aus dem Päckchen und begann genüßlich zu schmöken.

Seine Frau, die dieses Spielwerk von Anfang an mitbekommen hatte, schüttelte den Kopf und meinte zu ihrem Mann: »Kauf dir lieber frischen Tabak, dieser schmeckt doch bestimmt nicht gut!« »Was du nun wieder hast«, antwortete ihr Mann, »das Päckchen war doch noch fast voll und außerdem schmeckt man den Schiet gar nicht durch!« Sagte es und ließ die Pfeife ordentlich qualmen.

So war das damals. Nicht so einfach wie heute: einfach ziehen oder drücken und weg ist die Geschichte. Nein, das was man produzierte, mußte man damals auch selber entsorgen. Alles in allem also eine recht »anrüchige« Sache.

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