Quelle:

Text: Jürgen Warnecke – veröffentlicht in den Bevenser Nachrichten – September 1997

Beneckes alte Linde

Unser Alt-Bevensen, verehrte Leserin, verehrter Leser, Szenen des Bevensen der vierziger und fünfziger Jahre zu beleuchten Szenen, die ich als Kind und jugendlicher Mitmensch erlebt habe, bereitet mir heute besondere Freude, ist mir doch viel Bevenser Leben vergangener Tage noch in heller Erinnerung, und ich »krame« gern darin und versetze mich in die längst vergangene Welt und Zeit. Und als ich vor einigen Tagen durch die Straße »An der Aue«, eine der ältesten Straßen unseres heutigen Bad Bevensen ging, ja, da stieg wieder ein Stück Erinnerung lebendig vor mir auf: Beneckes alte Linde.

Es war in den frühen vierziger Jahren, da war sie ein markantes Merkmal vor dem Hause Nr. 9 in der »Wasserstraße«, wie man die Straße »An der Aue« in früheren Zeiten nannte. Das Haus Nr. 9 gehörte und gehört noch heute der Familie des Böttchermeisters Heinrich Benecke. Ein behäbiges Fachwerkhaus, vor dessen breiter, schmuckvoller grüner Tür eine breitstämmige Linde stand. Ihre oberen Äste ragten weit über das vordere Dach des Hauses und man konnte meinen, sie hätte ihre Äste bewußt, wie schützende Hände, auf das Dach wachsen lassen. Im Beneckeschen Hause war es immer recht lebendig. Von früh bis spät war das Hämmern Meister Beneckes und seiner Gesellen zu hören, wenn sie die über die Dauben gespannten Eisenringe fest und fester schlugen und das Faß zum Faß werden ließen. Mutter Anna Benecke, wir nannten sie »Omi Benecke«, wirkte ständig in Küche und Garten, denn zu den Mahlzeiten saßen täglich Meister und Gesellen mit der Familie zu Tisch und da mußte viel vorbereitet werden.

Mit Familie Benecke waren die Eltern gut befreundet. Tochter Annchen hatte bei Vater, der mit seiner Wirtschaftsgeflügelzucht und Geflügelbrüterei 1933 im Hause Wasserstraße 4, Beneckes gegenüber, begonnen hatte, eine Geflügelzuchtlehre absolviert, und wir Kinder, meine Schwestern und ich, waren bei Beneckes gern zu Hause, besonders in der Zeit der Pflaumenernte; dann gab es bei Beneckes Pflaumenkuchen und wir durften mit den »Großen« in der schönen Gartenlaube, die am Ende des Gartens direkt an der Ilmenau unter großen Trauerweiden ihren Platz hatte, sonntags nachmittags Kaffee trinken. Blümchenkaffee, versteht sich, denn Bohnenkaffee gab es damals höchst selten. Nach dem Kaffee fuhren wir mit Beneckes Ruderboot auf der Ilmenau oder spielten auf dem breiten ungepflasterten Bürgersteig vor dem Beneckeschen Hause Kibbel-Kabbel mit Ramischs Jungens und Eisentrauts Kindern, mit Hermann Bade und Rolli Lau, Erhard Twellhegen, Reinhold Freitag, Köneckes Jungens und Otto Meyer und Bruder und natürlich mit Heinzi und Heinerle Benecke, Omi Beneckes Enkelsöhnen. Und wenn uns das zu langweilig wurde, spielten wir Verstecken. Ein besonderes Versteck werde ich nie vergessen – es war die alte Linde vor Beneckes Haus, deren Stamm sehr umfangreich und innen hohl war und uns als Versteck und Regenschutz diente. Die alte Linde prägte einst die noch ältere kopfsteingepflasterte Straße und gab ihr das Bild der Gemütlichkeit über lange Zeit.

Nun ist die alte Linde schon viele, viele Jahre nicht mehr – in steter Erinnerung aber bleibt sie mir, die meine Zeit der Kindheit und Jugend begleitete, und ich glaube, daß sich noch viele ältere Bevenser Mitbürger an die alte Beneckesche Linde erinnern werden.

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