Quelle:

Text: Tino Wagner: StadtA BB, Bericht in A606-32/1931/010, Der Familienname wurde zum Schutz der Nachfahren gekürzt.

Eine einsam getroffene Entscheidung

Es ist der 17. Juni 1939. Wie jeden Abend bringt Alwine K. ihre drei Kinder im Alter von 4 – 8 Jahren zu Bett. Zärtlich streichelt sie den Kleinen über die Köpfe und sagt ihnen liebevoll Gute Nacht. Alwine geht es schlecht, aber sie will sich nichts anmerken lassen. Mit Angst erwartet sie den Ausgang eines Strafverfahrens, für eine Tat die sie nicht hätte begehen dürfen: Seit Weihnachten hat sie regelmäßig Geld aus dem Tresor ihres Arbeitgebers entwendet. Schließlich wurde sie dabei erwischt. Und dann auch noch die schweren Vorwürfe ein außereheliches Verhältnis zu haben.

Es ist ein Samstag und bald kommt ihr Ehemann heim. Unter der Woche ist er als Maurer in Fallersleben tätig. Alwine trifft noch letzte Vorbereitungen für seine Ankunft, dann wird es still in dem Haus „An der Aue Nr. 4“. Einsam sitzt A. nun am Küchentisch und schreibt zwei Briefe. Einen lässt sie auf dem Tisch liegen, der andere verschwindet in ihrer Schürzentasche. Gegen 20.15 Uhr verlässt sie schließlich das Haus und geht in Richtung der Ilmenauwiesen. Eine Nachbarin beobachtet zwar den abendlichen Spaziergang, denkt sich aber nichts dabei.

Entscheidung

Zeitgenössische Postkarte mit der Ilmenau und dem Strandbad

Fieberhafte Suche und traurige Gewissheit

Etwa 21.45 Uhr schrillt der Fernsprecher der Bevenser Polizei. In der Nähe der Stiegerbrücke soll eine in der Ilmenau treibende Leiche gesichtet worden sein. Zusätzliche Helfer werden angefordert und eine mehrstündige Suche beginnt. Da es bereits dunkel ist, suchen sie die Ilmenau mit einem Kahn und Taschenlampen ab. Gegen Mitternacht dann die grausige Entdeckung im Bereich der Badeanstalt: eine weibliche, leblose Person – nur mit einem Hemd bekleidet. Auf Höhe der Glockeneichenstraße kann der Körper schließlich geborgen werden. Der hinzugezogene Arzt Dr. med. Berlin kann aber nur noch den Tod feststellen. Anhaltspunkte die auf ein Verbrechen schließen lassen, sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Die Leiche wird zur weiteren ärztlichen Untersuchung in die Leichenhalle verbracht. Bei einer Nachsuche finden die Helfer schließlich auch das braune Kleid der Selbstmörderin im Schilf. Die Ilmenau ist an dieser Stelle zwei Meter tief. In der Tasche der Abschiedsbrief, aus dem die Selbstmordabsichten hervorgehen. Die verzweifelte 45jährige sah einfach keinen anderen Ausweg, „um allen Qualen aus dem Weg zu gehen.“

Der Polizeibericht endet bürokratisch nüchtern und emotionslos: „Der Ehemann will von dem Treiben seiner Frau nichts gewusst haben.“

Selbstmord

Die Kriminalpolizei bittet wiederholt um Zusendung der Sterbefallkarte

(Alwines Nachname wurde hier digital gekürzt)

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