Chronik des Stadtarchivs Bad Bevensen

Teil 1
von seinen Anfängen bis 2000

Es war ein Zufall: Anfang 1992 erfuhr der damalige Bürgermeister Knut Markuszewski von meiner Neigung zu dokumentarischen/archivarischen und ehrenamtlichen Tätigkeiten. Sein Angebot, die Betreuung des Stadtarchivs Bad Bevensen zu übernehmen und meine schnell erklärte Bereitschaft führten bereits im August 1992 zur Zustimmung der Verwaltung.

Und so war ich von November 1992 bis Ende Juli 1999 ehrenamtlicher Stadtarchivar. Ich sah das als letzte Herausforderung für mich. Durch meine berufliche Tätigkeit – in der ich nebenbei eine wissenschaftliche Dokumentation für mein erweitertes Fachgebiet startete und 1972 mit mehr als 200 000 internationalen Titeln in die Selbständigkeit entließ – wußte ich, welcher Einsatz mich notwendigerweise erwartete. Was ich nicht kannte, waren die Besonderheiten der Führung bestehender Sammlungen mit allen ihren Unzulänglichkeiten. Denn immer hatte ich aus dem Nichts aufgebaut. – Und es war schon viel zusammengetragen, wurden die Gemeinden doch schon vor Jahrzehnten immer wieder aufgefordert, wichtige Unterlagen wenigstens sicher aufzubewahren. Trotzdem, manches als vorhanden aufgezeichnete Dokument blieb unauffindbar.

Dieser Beitrag ist ein Rechenschaftsbericht und mit Absicht sehr ausführlich gehalten, weil er

  1. das Wissen um Aufbau und Entwicklung des Archivs in Bevensen bewahren will,
  2. Bürger und andere am Gemeindeleben Interessierte aufmerksam machen möchte, daß eine solche Einrichtung in der Nähe ist, was man dort findet und daß jeder am weiteren Aufbau mitwirken kann,
  3. Kommunalpolitikern und anderen Entscheidungsträgern – auch solchen anderer Gemeinden – eine Vorstellung über Aufwand und Nutzen vermitteln soll

Natürlich kann man vieles anders machen, einiges sicherlich auch besser, selbst einfacher. Eines aber ist klar: Eine bloße Anhäufung bedruckten oder beschriebenen Papiers ist noch lange kein Archiv und das Entstauben nicht wert.

Aufbau des Archivs

Schritte zum Aufbau eines Archivs in Bevensen und Bemühungen um seine angemessene Unterhaltung sind nicht neu.

1924

wird meines Wissens erstmals von einem Archiv berichtet. Das Archivgut ist inhaltlich durch den Begriff „Ratsarchiv“ hinreichend gekennzeichnet.

 1925

erfolgt der Ausbau des Dachbodens im Rathaus zur Einrichtung eines Archivs, das der ,,Sammlung und Erhaltung heimatlicher Urkunden und Bücher dienen“ soll. Welche der damals eingelagerten Urkunden etc. in den heutigen Beständen noch vorhanden sind, ist unbekannt. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit um alte Kassenunterlagen, Protokollbücher etc. handelt.

1935

unterbricht das Schweigen um das Archiv die Nachricht, daß Pastor Ulrich Bahrs als möglicher Archivpfleger der Region benannt ist. Vor der Ablieferung staatlichen Aktenmaterials sollten Staatsarchive gefragt werden, vor der Ablieferung nichtstaatlichen Materials (z. B. Innungsakten, Familienpapiere) die Archivpfleger.

1947

erfolgt eine schriftliche Nachricht an das Landratsamt Uelzen, wonach in Bevensen ein Archiv eigentlich nicht besteht (was immer das bedeuten mag). Eine Reihe alter Akten sei vor ca. 30 Jahren an das Hauptstaatsarchiv Hannover abgegeben worden. Neuere Akten, insbesondere solche über die NSDAP und ihre Gliederungen, hätten britische Besatzer mitgenommen.

1959

am 26. Oktober hält es der Verwaltungsausschuß der Stadt „für eine dringende Aufgabe, daß das städtische Archiv in Ordnung gebracht und in Ordnung gehalten wird. Es erscheint zweckmäßig, die Geschichte der Stadt Bevensen im Anschluß an die Schrift von F. Brohmann fortzuschreiben. Der Mittelschullehrer Dr. Pietz, der sich für die Aufgabe angeboten hat, soll entspr. Auftrag erhalten. Nach einer Ergänzung vom 2.11.1959 erklärt Tierarzt Dr. Friedrich Riggert seine Bereitschaft, bei der Herrichtung des Archivs mitzuwirken.

Grundlage der Zusammenarbeit mit Fietz ist dessen Gutachten über die Einrichtung eines Archivs vom 18. 9. 1959.

1960

1. April bis 30. Juni 1961 übernimmt Dr. Walter Fietz entsprechend einer Vereinbarung mit der Stadt vom 17. 5. 1960 als ehrenamtlicher Archivar die „Ordnung und Verzeichnungdes vorhandenen Materials. Fietz hat aus der Bevenser „Altregistratur“ manche Auskunft erteilt. Nach seinem Ausscheiden ist er als staatlicher Archivpfleger/Kreisarchivar in Uelzen weiterhin im Archivwesen tätig. In dieser Eigenschaft ermahnt er die Gemeinden mehrfach eindringlich zur Sicherung ihres Archivgutes. 1975 verfaßt er ein „Inventar des Gemeindearchivs Altenmedingen und der zugehörigen Ortschaft Haaßel“.

Der weitere Weg des Bevenser Archivs ist noch lange gekennzeichnet, nicht nur von der Suche nach einem geeigneten Nachfolger, sondern auch durch das Bemühen um bessere Räumlichkeiten. Ungeachtet mancher Warnungen wird

1964 und 1970

ein weiterer Ausbau des Dachbodens im Rathaus geplant, mit Kostenvoranschlag. Doch 1972 beginnen Planung und Ausbau von Archivräumen im Gebäude Kl. Bünstorfer Straße 2.

1974

am 20. April wird im Kulturausschuß berichtet, daß Stadtdirektor a.D. Wilhelm Wagenknecht bereit ist, das Archivgut ehrenamtlich zu ordnen.

1975

berichtet Wilhelm Wagenknecht selbst, er habe in diesem Jahre das städtische Archiv eingerichtet; ein Jahr später ist fast alles geordnet.

1978

wird das Archivgut in drei Souterrainräume der alten Volksschule Lindenstr. 12 verlagert, wo es sich heute noch befindet. Unter dem 8. Mai 1978 findet sich eine vorläufige Dienstanweisung für das Archiv.

1985

führt Wagenknecht erstmals die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden durch das Archiv, nicht zuletzt in der Absicht, Belange der Samtgemeinde im Archiv zu verstärken.

1987/88

wird er in seiner Arbeit durch Lisa Kuhlmann unterstützt. Wagenknecht ist der erste ernst zu nehmende Stadtarchivar. Er schafft nicht nur Ordnung, wofür er ursprünglich angetreten war, sondern er setzt auch Schwerpunkte, vor allem mit Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte. In seine Zeit fällt auch die Begründung der „Schriftenreihe des Stadtarchivs“, deren Einzelhefte allerdings als gewollt andersartige Ergänzung des „Brohmann“ nur zu einem geringen Teil aus dem Archivgut stammen. Wagenknecht ist für seine bahnbrechende Arbeit mehrfach geehrt worden. 1992 wird er verabschiedet.

Wilhelm Wagenknecht Sterbeanzeige

Wilhelm Wagenknecht verstarb 1997 im 89. Lebensjahr

Neuaufbau

Die Übernahme am 5. November 1992 ist etwas deprimierend. Von der Ordnung Wagenknechts ist nicht mehr viel übrig. Erste Umbaumaßnahmen in den Archivräumen im Rahmen des Ausbaues des neuen Ämterzentrums hinterlassen ein Chaos, weil offensichtlich vor diesem Termin niemand das Geschehen im Archiv kontrollierte. Praktisch zeichnet sich schon in den ersten Tagen die Notwendigkeit eines völligen Neubeginns ab.

Zunächst ist ausschließlich an eine räumliche Neuordnung gedacht. Das Problem ist jedoch größer, ist doch eine übersichtliche Zuordnung des Archivgutes auch mit den hinterlassenen Findbüchern kaum möglich. Das sachlich zusammengehörende Material steht überwiegend an zahlreichen verschiedenen Stellen, meist in Aktenordnern, häufig lädiert, offen, völlig verstaubt. Was tun?

Die Verwaltung stimmt ohne Umschweife einer vollständigen Restaurierung der Archivräume zu, einschließlich aller Zuleitungen, Fenster etc. Naturgemäß dauert das. Erste Planungsarbeiten für das Archiv finden deshalb zu Hause statt. Während des Tages wird, wann immer es möglich ist, geräumt, geräumt und nochmals geräumt, werden alle Regale umgestellt, Akten entstaubt usw. usw. An dieser Stelle sei die bedeutende Unterstützung durch Bauhof und Reinigungskolonne lobend erwähnt. Besondere Schwierigkeiten bereitet zunehmend eine sinnvolle Ordnung des Archivgutes. Einer allein- kann das nicht schaffen.

Anfang 1993

gelingt es, zwei ehrenamtliche Mitarbeiter zu gewinnen: Oskar Brennecke und Klaus Schniewind. Mit ihnenschreiten nicht nur die Räumungsarbeiten zügiger voran. Mit ihnen gemeinsam kann auch die Orientierungsphase effektiver gestaltet werden. Niemand hat Archiverfahrung. Deshalb müssen entsprechende Kenntnisse erworben werden. Dazu dienen Besuche in benachbarten Archiven. Überaus hilfreich erweist sich für uns Laien das Niedersächsische Archivgesetz vom 25. 5.1993 mit den entscheidenden Bestimmungen von den Aufgaben des Archivs über Begriffsinhalte, Sicherung/Nutzung des Archivgutes bis hin zu den Verpflichtungen der kommunalen Körperschaften.

Am erfolgreichsten für unsere Zielfindung erweist sich die Arbeit im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv in Hannover, wöchentlich einmal, ganztägig, ein ganzes Jahr über. Es ist dieser Umgang mit dem in Bevensen weitgehend unbekannten Original-Schriftgut des Amtes Medingen, der deutlich macht:

  1. Hauptziel der Archivarbeit soll zunächst nicht die Sammlung sein, schon gar nicht die Veröffentlichung, sondern erstmals die Erschließung, also die Arbeit für andere,
  2. die weithin übliche Findbuchmethode mit der Sammlung meist wenig aussagekräftiger Überschriften für z. T. umfangreiche Aktenstücke gibt. auch nicht annähernd Auskunft über die wirklichen Inhalte; angestrebt wird eine deutliche Dokumentation der Inhalte,
  3. die sachliche Ordnung des Archivgutes soll sich einem durchgängigen Prinzip unterordnen und
  4. die Archivbesucher müssen selber finden können, ob und welches gewünschte Material sich wo im Archiv befindet. Andere Vorentscheidungen sind von geringerer Bedeutung, weil rein technischer Art, wie:
  5. die Aufbewahrung des Archivgutes erfolgt überwiegend im Karton,
  6. grundsätzlich unverändert als eine Archivnummer übernommen,
  7. archivwürdige Unterlagen der Mitgliedsgemeinden werden ebenso aufgenommen wie die der Stadt.

So entstehen unsere Archivierungsinstrumente: Grundlage der Arbeit von der Aufnahme bis zur Benutzung ist das alphabetische Sachwortregister. Dafür benutzen wir eine gute Vorlage, den Aktenplan 1972, wohlwissend, wie negativ manche Archivare darüber denken. Weitgehend übernommen sind nur die grundlegenden Ordnungselemente Sachgebiet und Kennziffer. Sie werden ergänzt durch bessere, auch zusätzliche Begriffe aus dem etwas freieren Aktenplan 1990. Mit eigenen Begriffen wird sichergestellt, daß typische Ereignisse vergangener Jahrhunderte voll integriert werden können, ggf. über Ergänzungen.

Auszug SachwortregisterAuszug aus dem angelegten Sachwortregister

Gleiches gilt natürlich auch für künftig neue Begriffe. Dieses Sachwortregister enthält bereits jetzt auf z. Zt. 48 Seiten zahlreiche in den Aktenplänen nicht vorkommende Begriffe aus Bereichen außerhalb der Verwaltung; darunter sind besonders hervorzuheben der gesamte Kundenbereich, die Niederdeutschen u.a. Sammlungen, Nachlässe und viele andere Begebenheiten aus dem Bürger- und Vereinsleben etc.

Sie alle lassen sich ohne Schwierigkeiten den vorgegebenen großen Sachgruppen zuordnen. Jeder Begriff ist mit einer Kennziffer versehen, unter der Material zu bestimmten kleinen oder größeren Themenbereichen gesammelt wird. Zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen für gleiche oder vergleichbare Inhalte sind mit Verweisen auf eine einzige Kennziffer versehen. Nur das ist die Sammelstelle. Der Besucher aber kann sich durchaus mit ganz unterschiedlichen Bezeichnungen auf die Suche machen, sofern sie die gleiche inhaltliche Bedeutung haben. Das Herzstück des Archivs ist die Kartei. Jede Karteikarte enthält, außer den bibliographischen Angaben eine Kurzfassung des Inhalts der Akte etc. In der Kopfleiste ist der wesentliche Inhalt mit Kennziffern verschlüsselt; oben rechts ist. die Archivnummer angegeben, sofern dieses Archivgut dem eigenen Archiv entstammt. Die Archivnummer besteht aus einer zweiziffrigen Fachgebietsnummer, einem Kalenderjahr (meist dem erstgenannten) und einer laufenden Nummer.

KarteikarteMuster einer Karteikarte. Nicht immer war eine Akte lediglich einem Sachbegriff zuzuordnen. So wurde für jedes oben links dargestellte Sachgebiet ein Exemplar der Karteikarte abgelegt.

Diese Beispiele sind schon das Ergebnis der in der Erschließungsphase immer wieder notwendigen Korrekturen bei Vorstellungen, Techniken etc. Und sicherlich ist das keineswegs das Ende der Entwicklungen. Voraussetzung für die Erstellung solcher Karten ist die gründliche Durchsicht des Archivgutes, Blatt für Blatt. Für jede der in der Kopfleiste enthaltenden Kennziffern wird eine solche Karte angefertigt und unter der betr. Nummer abgelegt. Das ist ein beträchtlicher Aufwand. In diesem Zusammenhange gibt es sicherlich eine Anzahl von Fragen, etwa: Lohnt sichdas, wer macht das, wie macht man das?Bearbeitet haben das Archivgut drei ehrenamtliche Mitarbeiter. An die Stelle des verstorbenen Oskar Brennecke tritt im

November 1995

Heinz Bergel. Unterstützung erhalten wir ab 1. März 1997 durch Ingrid Gothe-Eggers und ab 1. April 1998 durch Rainer Domke, beide jeweils für etwas mehr als ein Jahr. Daneben übernehmen zwei Damen aus der Verwaltung Schreibarbeiten, ab 1995 sporadisch Annemargret Linse und ab 1998 ständig halbtags Margrit Müller. Sie erschließen nicht nur für den von Wilhelm Wagenknecht übernommenen Bestand, sondern in den letzten Jahren auch eine Fülle von Akten aus den Zwischenarchiven der Verwaltung, archivwürdiges Material aus allen Schulen des Samtgemeindebereichs, aus Kurverwaltung und Kurgesellschaft, von einzelnen Privatpersonen sowie diverse Einzellieferungen der Mitgliedsgemeinden.

Mitte des Jahres 1999

umfaßt der Archivbestand im wesentlichen: rund 400 lfd. Meter Akten u.ä., darunter Sitzungsprotokolle Flecken/Stadt Bevensen/Bad Bevensen, ab 1907, desgl. Samtgemeinde Bevensen, ab 1972 etwa 70 lfd. Meter gebundene Periodica/Bücher, darunter vor allem Gesetzessammlungen, darin u. a.:

  • Gesetze, Verordnungen und Ausschreiben für das Königreich Hannover, 1822-1866,
  • Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten, 1867-1940,
  • Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, kpl.,
  • Niedersächsisches Ministerialblatt,kpl.,
  • Reichsgesetzblatt, ab 1871, mit Vorläufer Norddeutscher Bund 1869/70
  • Bundesgesetzblatt, kpl.
  • 80 lfd. Meter Zeitungen/Zeitschriften, darunter:
  • „Siebenstern“, 1928 bis 1932, kpl.; Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide, ab Oktober 1949
  • Tausende Fotos in Sondersammlungen
  • kleinere Zeichnungen/Karten, andere Fotos etc., auch in div. Archivnummern; Kennzeichnung in den   Kopfleisten), darunter: 10 Bände „Vom Plan zur Wirklichkeit“, ab 1952 eine stadthistorische Sammlung fotographischer Spiegelbilder jeweils einer Amtsperiode des Stadtrates, geringe  Auflage als Erinnerungsgabe für die Mandatsträger; vor allem aber
  • eine allgemeine Sammlung, im Aufbau; überwiegend nach 1945, Schwerpunkt: eine 1997 begonnene, noch nicht abgeschlossene Aktion mit Aufnahmen aller Straßen und Häuser der Stadt um die Jahrtausendwende.
  • 1000 größere Zeichnungen und Karten (auch in div. Archivnummern; Kennzeichnung in den Kopfleisten), älteste 1704.

Allein die Ehrenamtlichen haben bis Ende Juni 1999 nach meinen Aufzeichnungen mehr als 16 000 Arbeitsstunden aufgebracht, davon ich selbst wöchentlich durchschnittlich 37 Stunden in wenigstens 40 Wochen pro Jahr. Hinzuzurechnen sind gut 4000 Arbeitsstunden von Hilfskräften aus Verwaltung, ABM und anderen öffentlichen Förderprogrammen. Personalkosten für die Ehrenamtlichen entstehen nicht, von kleinen Aufmerksamkeiten der Verwaltung abgesehen. Die Sachkosten beziffern sich in diesen sieben Jahren auf rund 33 000 Mark, darunter knapp 6 Prozent für Reisekosten.

Der weit überwiegende Teil betrifft Ausgaben für div. Arbeitshilfmittel, wie Karteikarten und Packmaterialien, vor allem Kartons. Dieser Gesamtaufwand zeigt auch ohne Berücksichtigung der Kosten für Hilfskräfte und möglicherweise notwendige Baumaßnahmen sehr deutlich, daß kein Gemeindearchiv ohne beträchtliche Anstrengungen aufzubauen ist, selbst dann nicht, wenn umfangreiche Sammlungen bereits vorhanden sind.

Die Zukunft

Trotz aller Anstrengungen haben wir eine ganze Reihe ursprünglicher und gelegentlicher Diskussionsergebnisse, Voraussagen, auch Versprechungen nicht verwirklichen können. Das gilt besonders für folgende Punkte:

  1. durchgängige Übernahme archivwürdigen Materials der Mitgliedsgemeinden,
  2. Verbesserung des Zugangs durch zusätzliche Register, z.B. Namens- und Gemeinderegister
  3. Erschließung über den PC,
  4. Ergänzung des Bestandes durch Aufspüren und Aufnahme wichtiger Dokumente in fremden Archiven.

zu 1: Dieser Punkt ist besonders schmerzlich, denn es gab bereits entsprechende Absprachen. Die wichtigsten Unterlagen müssen in jedem Falle archiviert werden, am besten bald. Rückgabe, Auslieferung können wie in den Vereinbarungen mit den Schulen geregelt werden.

Natürlich kann eine Gemeinde auch selbst ein Archiv aufbauen und unterhalten. In diesem Falle mögen mir die Gemeindevertreter jedoch eine sehr persönliche Bemerkung gestatten: Sie werden ohne Rückgriff auf das Archiv in Bad Bevensen nur über einen mehr oder weniger bescheidenen Bruchteil der für die Gemeinde interessanten Aussagenverfügen können.

zu 2: Bisher ist in der Kartei der Sachbegriff einseitig bevorzugt. Es fehlt für einen verbesserten Zugang ein Namensregister, vor allem aber ein Gemeinderegister. Bürger- und Gemeindenamen sind nämlich sehr oft in Texten sehr versteckt genannt, also selten aus der Überschrift ersichtlich.

zu 3: Natürlich wäre eine Erschließung über den PC sinnvoll und informativer. Der Zugang über die Kartei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, um die Suchunterstützung für Besucher bei dem gering bemessenen Archivpersonal nicht zu einem fortwährendem Dienst am Computer degradieren zu lassen.

Die vollständige Bestands-Erschließung über den PC könnte auch zu einem bisher unbeachteten Nebeneffekt führen, einem mehrfach andiskutierten Ausbau mit einem möglicherweise beachtlichen Vorteil für die Verwaltung. Zwischenarchive könnten auf ein für die tägliche Arbeit unbedingt notwendiges Minimum reduziert werden. Jeder Sachbearbeiter könnte an seinem Arbeitsplatz selbst feststellen, ob und wo im Archiv das von ihm gewünschte Material steht.

Die Entwicklung eines solchen Systems bietet mehr Vorteile als Schwierigkeiten. Doch das kann nicht Aufgabe des Archivs sein.

zu 4: Für die Mitarbeiter des Archivs hätte eine „aushäusige“ Tätigkeit in anderen Archiven eine ausgesprochene Motivation sein können. In benachbarten Archiven befinden sich zahlreiche Informationen über das Leben und Wirken im Samtgemeindebereich, so z. B. im Kreisarchiv Uelzen, vor allem im Hauptstaatsarchiv Hannover. Es ist gewiß nicht in jedem Falle erforderlich, die Unterlagen in Kopie nach Bad Bevensen zu holen. Jeder aber sollte während seiner Suche erfahren können, was wo lagert, unter Umständen auch in Celle, Lüneburg, Stade und an anderen Orten. Mit einem Beispiel kann gezeigt werden, wie interessant andernorts gelagerte Unterlagen für die Geschichte unserer Gemeinden sein können. Im Hauptstaatsarchiv Hannover lagern allein entsprechend dem Findbuch Hann. 74, Medingen, 4110 Akten des Amtes Medingen.

Davon sind von uns etwa die ersten 600 durchgesehen und dokumentiert. Von den noch nicht überprüften rd. 3500 Akten sind schätzungsweise wenigstens 2500 für die Geschichte der Samtgemeinde direkt von Bedeutung. Allein 1300 Akten betreffen jeweils eine einzelne der rund 50 Ortschaften, heute zusammengefaßt in acht Mitgliedsgemeinden. Rund 1200 Akten betreffen mehrere dieser Gemeinden gemeinsam oder sind – etwa als Anordnung – für alle Ortschaften des alten Amts Medingen  verbindlich. Bedeutende Sachthemen sind Baumaßnahmen und Gewerbe mit jeweils 165 Akten, Militaria 215, Kassen-/ Rechnungswesen 220, Kirchen-/Schulangelegenheiten 265, vor allem aber allgemeine Steuerangelegenheiten 420 und letztlich Rezesse mit 540 Akten. Von den Akten, die nur einzelne Gemeinden betreffen, berichten über die Mitgliedsgemeinden Bad Bevensen rund 490, Altenmedingen 200, Himbergen 140, Barum 120, Römstedt 110, Emmendorf 70, Weste 50 und Jelmstorf 40. Da lagert für jede Gemeinde viel Wissenwertes. Besonders deutlich wird das in der hier beigegebenen Übersicht der in Hannover lagernden und noch nicht ausgewerteten Akten über Rezesse des 19. Jahrhunderts. Möglicherweise behagen Rezesse nicht jedem. Vielleicht können einige Beispiele ausgewählter Archivnummern aus der Fülle des Findbuches Hann. 74, Medingen eher motivieren: Nr. 887-888: Der Brand von Bevensen im Jahre 1729 (1729 bis 1752), Nr. 898: Der Jahrmarkt von Himbergen (1801 bis 1824), Nr. 913: Privilegien der Papiermühle in Röbbel (1748 und 1824), Nr. 1214: Wiederbesetzung des Bruchmeyerschen Hofes in Altenmedingen durch Grantien (1661 bis 1666), Nr. 1600: Zehntverweigerung der Einwohner von Emmendorf (1791), Nr. 1852: Ablösung der Flachszehnten in Oitzendorf (1835), Nr. 2585: Verzeichnis der Höfe, Koten und bewohnten Feuerstellen im Amt (1694 bis 1735), Nr. 3978: Verzeichnisse der Fuhren zum Transport verschiedener braunschweigischer Truppen, die in englischen Sold traten (1776).

Ist das nicht alles so interessant, daß es einmal gehoben und verarbeitet werden müßte? Ich  bedauere es sehr, daß ich selbst es nicht mehr kann. Aber meines Erachtens gibt es, auch in der Samtgemeinde, zahlreiche potentielle „Teil-Ehrenamtliche“, die das Archivpersonal unterstützen können. Bisher hat jeder ehrenamtliche Archivar einen mehr oder weniger ungeordneten Bestand übernommen. So wie mein Vorgänger Wilhelm Wagenknecht am Ende seiner Tätigkeit den Wunsch äußerte, daß wir seine Sammlung nicht durcheinander bringen sollten, möchte auch ich mit einem Wunsch schließen: Meine Nachfolger mögen jederzeit für alle ein geordnetes Archiv zugänglich halten.

Von Prof. Dr. Willi Mante; In: Der Heidewanderer, 76.Jahrgang – Nr. 10, 11. März 2000, S. 37-39 sowie In: Der Heidewanderer, 76.Jahrgang – Nr. 11, 18. März 2000, S. 41-43