Quelle:

TEXT: TINO WAGNER; QUELLEN: StadtA BB – A2002-2007/064 – Zeitungsberichte der Allgemeinen Zeitung

Der Zirkus Alberty und Hagenbecks Raubtierschau gastierten 1927 in Bevensen

Ausgangspunkt des späteren Zirkustreibens war das industrialisierte England. Während es sich zu Beginn ausschließlich um zur Schau gestellte Reitkünste handelte − aus militärischem oder höfischem Anlass –, entwickelte sich das Angebot stetig weiter: Clowns, Akrobaten und Kuriositäten zogen die Menschen in ihren Bann.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert verstanden es auch immer mehr Deutsche der Entwicklung des Zirkuslebens neue Impulse zu geben. Einer von ihnen war Gottfried Claes Carl Hagenbeck. Er gründete den heute international bekannten Tierpark in Stellingen, nachdem er sich vom Fischhändler zum Zirkusbesitzer hochgearbeitet hatte. Sein jüngerer Sohn Wilhelm betrieb ebenfalls einen Zirkus, den später dessen Söhne Willy und Carl weiterführten.

Zirkus

Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide v. 16. April 1927

Eine am 16. April 1927 in der Allgemeinen Zeitung veröffentlichte Zeitungsannonce weckte Neugier: „Große Raubtier-Dressur-Schau und Zirkus Alberty kommt nach Bevensen!“ Das geplante dreitägige Gastspiel war eine willkommene Abwechslung, das wollte sich keiner entgehen lassen.

Innerhalb eines Tages entstand der Zirkus auf dem Grubenholzplatz an der Güterstraße. Im Vorverkauf gab es die Eintrittskarten im Zigarrenhaus Uhde und an der Zirkuskasse. Erwachsene bezahlten 50 Pfennig, Kinder kamen für 25 Pfennig in den Genuss einer Vorstellung am Nachmittag oder Abend. Zum Vergleich: Ein ungelernter Arbeiter in der Metallindustrie musste sich zu dieser Zeit mit einem wöchentlichen Verdienst von rund 33 Mark zufriedengeben.

Fünf Riesenzelte, 50 Wagen und 200 Tiere − eine logistische Meisterleistung. Die Betreiber suchten vorab 50 möblierte Zimmer für das Personal, und die Tiere benötigten Unmengen an Nahrung. „Wir kaufen Schlachtpferde für die Raubtierfütterung“, lautete der Aufruf in der Zeitung. Lieferanten von Heu, Stroh und Hafer konnten ihre Angebote direkt bei der Zirkusleitung abgeben. Nicht nur in Bevensen bestand großes Interesse an den Darbietungen. Die Post stellte Fahrzeuge für Sonderfahrten bereit, um auch auswärtigen Besuchern die Anfahrt zu ermöglichen.

Zur ersten Abendveranstaltung am 19. April erschienen zahlreiche Gäste. Dem Programmheft mit insgesamt 20 Punkten sind beispielsweise zu entnehmen: Margentas Radfahrakt, komisch seriöser Jongleurakt und Ela-Sati-Elastik Kunstdelikatessen. Neben den Künsten der Dressurpferde konnten ein Elefant, Kamele sowie Eis- und Grizzlybären bestaunt werden.

Bevensen

Allgemeine Zeitung der Lüneburger Heide v. 20. April 1927

Die anwesenden Journalisten schrieben nach der Aufführung: „Feststehend ist, daß Bevensen so etwas noch nicht gesehen hat, und sich diese Gelegenheit kaum wiederholen wird.“

Nach drei Tagen endete das Spektakel in Bevensen. Die Zirkusleute begannen mit dem Abbau und reisten weiter, um andernorts die Menschen zu unterhalten. Damals wird sich der Aufwand gelohnt haben. Heute hält sich das Interesse an einem Zirkusbesuch eher in Grenzen – wenig Zuschauer, Tierschützer und hohe Kosten machen es den Betreibern schwer und sorgen für längere Durststrecken; häufig müssen Auftritte mangels Besuchern ausfallen. Ein Showgewerbe im ständigen Überlebenskampf.

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